Beendorf Verbandsgemeinde Flechtingen

Die Mühlen von Beendorf

Es gibt sie tatsächlich, diese "Zufallsfunde".

Hausgiebel mit Windmühlenmotiv


So wie andere auf dem Dachboden, im Keller oder in der Scheune irgendwelche längst vergessenen Schätze wiederfinden, so "stolperte" ich beinahe über die Mühlen von Beendorf. Im Vorbeifahren entdeckte ich an einem Hausgiebel eine stilisierte Windmühle, hielt an, fragte in der Nachbarschaft und erfuhr, dass dieses Haus nichts mit der ortsansässigen Müllerfamilie zu tun habe, es sei lediglich eine Laune des Hausbesitzers, den sonst schlicht gehaltenen Hausgiebel auf diese Weise zu verzieren. Statt dessen wies der freundliche Herr auf ein Fachwerkgebäude in etwa 100m Entfernung. Das Haus, so erfuhr ich, sei früher mal eine Mühle gewesen.

Eine gute Stunde später stand ich dann mit meinem Fotoapparat an besagtem Haus, traf auf einen Bewohner, der sich einen riesigen Flachbildfernseher gekauft hatte und half ihm kurzerhand das Monstrum in die Wohnung zu schaffen. altes FachwerkhausWir wechselten noch ein paar freundliche Worte, ich durfte noch ein paar Fotos auf dem Hof machen und verabschiedete mich. Und als ich wenige Minuten darauf einen weiteren Hausbewohner antraf erfuhr ich, dass nur etwa 150m entfernt der Ortschronist wohnt, er würde mir ganz sicher zur Mühle etwas sagen können.

Tatsächlich traf ich ein freundliches, aufgeschlossenes Ehepaar und hatte das Glück mit dem Ortschronisten, der gar nicht so genannt sein will, zu sprechen. Claus Hansper hat sich darangemacht, die Geschichte Beendorfs fortzuschreiben. Zusammen mit einem ehemaligen Beendorfer bearbeitet er die "Beendorfer Hefte" und gibt einige als Neuauflage heraus. Im Heft 11 der Reihe finden auch die Beendorfer Mühlen Berücksichtigung. Freundlicherweise stellte er mir einige interessante Bilder und Texte zur Verfügung, die ich hier veröffentlichen darf. Zunächst jedoch ein paar Fotos der ehemaligen Schrotmühle in der Mittelstraße, mit den Resten der letzten Mühle im Ort.

"Die alte Schrotmühle der Familie Stern


Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und ist in der "Liste der Kulturdenkmale in Beendorf" unter der Registriernummer 094 84146 aufgeführt. Wikipedia

Claus Hansper übermittelte mir folgenden Texte und Bilder zur Mühle:

Die Stern´sche Schrotmühle

Die einstige Schrotmühle der Familie Stern in der Mittelstraße 5 gehört zu den Baudenkmälern unseres Ortes. Die diesbezügliche Mitteilung der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 23.02.1999 lautet: "Wohnhaus (Ende 18./ Anfang 19. Jh.) in Fachwerkbauweise mit Eckstreben und Satteldach, linksseitiger Massivanbau aus unverputztem, gestrichenen Ziegelmauerwerk mit Segmentbogenfenstern und Zierfries aus dem späten 19. Jh. (ehemalige Motormühle)"
Hier wirkten viele Jahre der Mehlhändler Christian Andreas Wilhelm Stern und nach seinem Tod im Jahr 1947 seine Frau Auguste Martha mit Unterstützung ihrer Schwester. Er übernahm das Grundstück von seinem Vater Christian Stern im Jahr 1922.
Nach der Aufgabe des Geschäftsbetriebes Anfang der 1960er Jahre und dem Tod der 92jährigen Auguste Martha Stern am 15.11.1983 verfiel das unbewohnte Gebäude zusehends. 1990 erwarben für eine jeweils kurze Zeit zwei Helmstedter das Grundstück, bevor es dann 1995 die Helmstedter Bürgerin Heidemarie Voorn übernahm.


Dazu der nachfolgende kleine Zeitungsartikel vom 06.12.1995.

Beendorf: Schrotmühle renoviert



Die alte Schrotmühle der Familie Stern in Beendorf, die dem Verfall sehr nahe war, zeigt sich nach gründlicher Renovierung im neuen Gewand. Frau Voorn von der Seniorenberatung Voorn in Helmstedt erwarb das über 300 Jahre alte Fachwerkhaus und ließ es gründlich "auf Vordermann" bringen. Bürgermeister Friedrichs konnte sich bei der Einweihung nicht nur über einen Beitrag zur Dorfverschönerung, sondern auch über einen Spendenscheck für den neuen Kindergarten freuen, den Frau Voorn ihm übergab. edk



Das im Zeitungsartikel erwähnte Alter des Gebäudes von über 300 Jahren ist nicht belegt und scheint etwas übertrieben zu sein. Der Ausbau des linksseitigen einstigen Mühlenanbaues erfolgte zunächst mit dem Ziel der Schaffung von Wohnraum im oberen Geschoss und der ebenerdigen Unterbringung einer Kleinverkaufsstelle, die dann später ebenfalls zu Wohnraum verändert wurde. Das ursprüngliche Aussehen des Anbaus für die Unterbringung der elektrischen Schrotmühle ist dem unteren Foto zu entnehmen.



Das Gebäude Mittelstraße 5 vor der Umgestaltung und Renovierung

Meine eigenen Recherchen zu den Beendorfer Mühle förderten lediglich die Existenz zweier Mühlen zutage:

Im - Klockhaus-Kaufmännisches Handels- u. Gewerbe- Adressbuch des Deutschen Reichs, Ausgabe 1934 - sind auf der Seite 2877 zwei Mühlen in Beendorf verzeichnet und zwar die Mühlen von Wilhelm Stern und Friedrich Wöhlbier.



Beendorf hatte auch eine Windmühle, wie es sich gehört hat sie außerhalb des Ortes auf einer kleinen Anhöhe gestanden. Und was mir besonders an der Mühle gefällt ist die Tatsache, dass ein Sohn des letzten Windmüllers selbst ein paar Dinge zu Papier gebracht und dem Chronisten überlassen hat. Er hat zur väterlichen Mühle notiert - Zitat Anfang: "

Lebenserinnerungen des Beendorfer Bürgers Heinrich Wöhlbier (1897 - 1995)
(aufgeschrieben im Jahr 1977)

Die Mühle wurde 1955 abgebrochen.

(Kleiner Auszug, die Mühle betreffend)

Die Mühle, so muss ich bekennen,
ist als erste Erinnerung zu nennen.
Sie machte mir Freude, das ist so geblieben.
Ich kann mich heut` noch in Windmühlen "verlieben".

Es war ein romantisches Bild,
wenn sich die Flügel drehten, wie wild
zwischen den wogenden Ähren im Wind.
Schön fand ich`s, nicht nur als Kind.

Der Ausblick von dort ins Allertal,
über Beendorf hinweg ins Brunnental,
über Äcker, Wiesen und Dörfer, 10 km weit !
Das war für mich göttliche Herrlichkeit !

Die Mutter, sie hatte, man denke bloß,
uns Dreie zu zähmen, ein schweres Los.
Ob sie Freude an uns hatte - oder Sorgen (?)
wir fühlten uns bei ihr geborgen.

Uns hatte sie aber nur nebenbei;
sie verkaufte Futtermittel, Mehl und Klei';
versorgte Kühe, Hühner und Schweine.
Nicht zu fassen, wie sie das schaffte alleine.

Mit Acker, Vieh und mit der Mühle
gab's unendlich viel Gewühle.
Nach und nach erst wurd' mir klar,
dass das zum Leben notwendig war.

Mit dem Drum und Dran, gesteh` ich ein,
war ich zufrieden, Wöhlbiers Heinrich zu sein.
Hab`s auch später nicht bereut
auf der Welt zu sein. Mich freut's noch heut'.



Heinrich Wöhlbier hatte auch Talent zum Zeichnen und so verdanken wir ihm einige Darstellungen vom elterlichen Wohnhaus, der Mühle und dem inneren Aufbau der Bockwindmühle.

Text von Heinrich Wöhlbier

Texte und Zeichnungen überlassen durch Claus Hansper

B E E N D O R F Kreis Haldensleben liegt unmittelbar hinter der Zonengrenze bei Bad Helmstedt.

Lt. Chronik wurde die Mühle 1825 vom Ackermann Ertmann Wöhlbier erbaut. Letzter Besitzer war Friedrich Wöhlbier (1854 - 1932).
Die Flügel drehten sich bis 1925. Der Abbruch erfolgte um 1955.
Das Gedächtnis war die Unterlage für diese Zeichnung. Ein Anspruch auf Genauigkeit besteht nicht, es sollte lediglich festgehalten werden, wie es in der Mühle aussah.

1. Spitzgang  Mit einem Elevator (Gurt mit Schöpfbechern) wurde das Getreide dem Spitzgang zugeführt. Die Mahlsteine hielt man so weit auseinander, dass nur die Spitzen und die Schale vom Korn getrennt wurden.

2. Mahlgang  Das so gereinigte Korn wurde zermahlen und der Sichteranlage zugeführt.

3. Sichteranlage  Ein rotierender Sechskantzylinder der mit Seidengaze bespannt war, sichtete das Mehl ab, während der Rest aufgefangen wurde und erneut diesen Mahlprozess durchmachte bis die gewünschte Ausmahlung erreicht war. Bei der damaligen üblichen 60 %-igen Ausmahlung war eine 6 - 7 malige Durchgabe erforderlich.

4. Schrotgang   Im einmaligen Durchgang erhielt man das Schrot.

5. Aufzug  Durch ein Hebelwerk war die Kettenwelle mit einem Zahnrad zu verbinden und so konnten die Säcke mit Windkraft nach oben gezogen werden.

6. Jalousien  Das Öffenen und Schließen der Jalousien erfolgte durch ein Hebelwerk, das vom Mühlenschwanz aus, mit Kettenzug, zu erledigen war.

6. Stübchen  Es war ca. 2 x 2 m groß. Ausgestatt mit Tisch, zwei Bänken u. Kanonenofen. Über dem Stübchen befand sich eine Schlafstelle für den Müllergesellen.

8. Schreck  Schreck und Sturmpfähle nannte man die Schwanzstützen.

9. Kettenzug  Mit ihm wurde die Mühle zum Wind gedreht.

Anmerkungen: Ehe nun die 'ganz Schlauen' herausfinden, dass das so ja gar nicht gewesen sein könne und Beendorf überdies im Landkreis Börde zu suchen ist, erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass a) die Beschreibung hier lediglich zitiert wird und b) das Ganze Jahrzehnte nach dem Abbruch der Mühle aus dem Gedächtnis des Sohnes heraus zu Papier gebracht wurde.
Es ist mit Sicherheit kein vollständiges Abbild einer Bockwindmühle oder der schweren körperlichen Arbeit ganzer Müllergenerationen. Aber immerhin hat sich hier jemand die Mühe gemacht, seine Erinnerungen für andere zu notieren, dafür darf und sollte man dem Autor Respekt zollen. Auch, wenn man meint, das eine oder andere sei falsch oder unvollständig dargestellt.
W. S. 1. August 2021

(Es gibt jede Menge guter Mühlenbücher die man hier zu Rate ziehen kann falls man mehr darüber wissen möchte.)

Mühlenzeichnungen von Heinrich Wöhlbier

Ansicht der Bockwindmühle
Gesamtansicht der Mühle
Mühlenbock (hier als Grundkreuz bezeichnet) mit teilweiser Umbauung
Mühlenbock (hier als Grundkreuz bezeichnet) mit teilweiser Umbauung
Sechskantsichter und Müllerstübchen
Sechskantsichter und Müllerstübchen
Der obere Boden mit Schrotgang, Mahlgang, Spitzgang und Sackaufzug
Der obere Boden mit Schrotgang, Mahlgang, Spitzgang und Sackaufzug
Schnittdarstellung der Mühle
Schnittdarstellung der Mühle
Mühlenhügel nahe des Gehöfts
Mühlenhügel nahe des Gehöfts
Der Wöhlbiersche Mühlenhof
Der Wöhlbiersche Mühlenhof
wohl das letzte Foto der Mühle
Wohl das letzte Foto der Mühle

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aktualisiert Montag d. 13.06.2022