Mühle und Nudelfabrik Holleben, Mühle Benkendorf
06179 Holleben OT von Teutschenthal, Mühlenstraße 4, Saalekreis
Koordinaten: 51.438994, 11.901493
Eigentümer(in): k.A.
Das Objekt ist als Kulturdenkmal ausgewiesen. - Erfassungsnummer: 094 55156
Wassermühle, unterschlächtiges Wasserrad
Nutzungsarten: Getreidemühle
Baujahr: 1618 neu aufgebaut, Betrieb bis: Mitte 19. Jhd.
Zustand: schadhaft
Technik: Die Mühlentechnik dürfte inzwischen wohl "abgängig" sein, es sind jedoch inzwischen wohl zwei
Wasserräder wieder in Betrieb und liefern Strom für den Ort.
Die Mühle ist mit Sicherheit sehr viel älter, sie wurde angeblich schon vor dem Jahr 1000 von Hersfelder Mönchen
errichtet. (So zumindest die Aussgae eines der früheren Eigentmümer, wiedergrgeben im "Merseburger Tageblatt vom
31. Januar 1936.) Um 1618 wurde die Mühle neu aufgebaut, 1713 ist sie abgebrannt, 1737
wiederum neu aufgebaut, 1766 erneut abgebrannt, 1768 noch mal neu aufgebaut,
1991 erfolgte eine Rekonstruktion der Einlaufrechen und der Schützenanlage sowie zweier Wasserräder zur Energiegewinnung.
Ferner wurden das Radhaus, Dächer, Fenster erneuert und die Wände instandgesetzt. Ob weitere Instandsetzungen zu
erwarten sind, ist derzeit unbekannt.
Vermutlich ist es eine der ältesten Wassermühlen Deutschlands in der Größe einer kleinen Industriemühle. Zur
Mühle gehörte auch eine Nudelfabrik.
Einige Informationen finden sich hier:
- Wikipedia: Wassermühle Holleben
und hier:
- Leerstehende Baudenkmale: Wassermühle Holleben
Inzwischen habe ich Nachricht vom Eigentümer der Mühle erhalten, er schickte Fotos und ausführliche Angaben
zur Entwicklung und zum Niedergang der Mühle, die im Folgenden auszugsweise wiedergrgeben sind:
1100 - 1150 Ursprung der Mühle, wohl durch Hersfelder Mönche errichtet
1174 Schutzbrief Kaiser Barbarossa erwähnt die Mühle
1618 neu erbaut, Einweihung fällt mit dem Beginn des 30j. Krieges zusammen
1713 am 18. Mai brennt die Mühle nieder
1737 unter dem Regime des Herzog Heinrich neu errichtet
1766 erneut zu einem großen Teil abgebrannt
1768 erneuert, Inschrift aus der Zeit noch heute vorhanden
1810 Einführung der Gewerbefreiheit in den Ländern des Königl. Preuß. Staates
1813 nach dieser Zeit gehörte die Mühle dem Preußischen Staat, der sie verpachtete
1843 Verkauf der M. durch den Fiskus an den Müller Karl Rudolf Busse, wahrscheinlich der Vater des
späteren Besitzers Albert Busse.
1885 Am 1. Oktober übernahm der Schwiegersohn von A. Busse, Heinrich Schüller, ehem. Papiermühlenbesitzer
in Merseburg die Mühle, ein zweiter Schwiegersohn von A. Busse, Hugo Weise wurde als Betriebsleiter eingesetzt.
1888 Erneuerung eines Wasserradantriebes, hierzu existiert eine Zeichnung (von A. Döhler beigefügt). Es ist
hier von einem "Heberbau" die Rede, tatsächlich handelt es sich um die Anlage eine Kettenpansterwerkes.
Von den insgesamt 5 Wasserrädern trieben vier die Müllereimaschinen, das fünfte diente der Nudelfabrik als Kraftquelle,
später übernahm eine Dampfmaschine diese Funktion und statt dessen wurde ein Wasserrad mit einem Generator versehen
und versorgte die Fabrik mit 110 Volt Gleichspannung als Lichtstrom.
In der Nudelfabrik übernahm eine von der Dampfmaschine angetrieben Walze das Kneten des Nudelteigs. In der
Nudelproduktion waren bis auf den Maschinisten Säuberlich und seinen Gehilfen hier etwa 20 Frauen beschäftigt.
1889 In der Mühle wurde eine Wohnung ausgebaut, die zunächst von einem Angestellten, später dann durch
die Familien Döhler und Rost bewohnt wurden. Die verfügbaren Aufzeichnungen zur Geschichte der Mühle stammen
überwiegend von einem Sohn (Armin Döhler).
1914 Otto Döhler arbeitete als kaufmännischer Angestellter in der Nudelfabrik und wurde später hier Inhaber.
Zu dieser Zeit wurden hier Nudeln in den verschiedensten Formen und Abmessungen produziert, die Produktpalette
reichte von feinen Fadennudeln über Bandnudeln von 2-10mm Breite bis zu Makkaroni usw.
1932 Während des 1. Weltkrieges florierte offenbar die Mühle und Nudelfabrik, soweit Rohstoffe ausreichten
liefen Produktion und Absatz. Mit dem Einsetzen der Inflation ging es jedoch bergab. Das Vermögen der Besitzer/Inhaber
wurde aufgezehrt, trotz sparsamster Betriebsführung und geringster Privatentnahme von Geld reichte es hinten und
vorne nicht. Die Schulden der Mühle stiegen enorm an, so dass als letzter Rettungsversuch eine Teilung des Unternehmens
vollzogen wurde. So entstanden der Mühlenbetrieb Hermann Schulz & Co. und die Nudelfabrik Otto Döhler & Co.
In beiden Unternehmen war Hugo Weise der Teilhaber. Trotz aller Bemühungen war die Pleite nicht abzuwenden, es kam
zur Zwangsversteigerung, die Gebrüder Zimmermann erwarben die Mühle.
Zu dieser Zeit hatte die Mühle eine Vermahlungskapazität von ca. 300 Zentner (15t) Getreide pro Woche, die Nudelfabrik
produzierte wöchentlich bis zu 50 Zentner (2,5t) Nudeln. Allerdings hatte durch Kriegs- und Inflationszeit bedingter
Verschleiß und die Überalterung der Maschinen und Anlagen eine mindere Qualität der Produkte zur Folge, so dass
letztendlich trotz aller Bemühungen die beiden Unternehmen zu retten, die Konkurrenz schneller, preiswerter und
qualitativ besser produzierte. Das Unternehmen hatte seinen guten Ruf und die Rentabilität längst eingebüßt.
1935 Merseburger Tageblatt: "Die Wassermühle Holleben ist eine mit fünf Wasserrädern, die bei vollem Wasser
etwa 20 Tonnen 'schafft' "…
Es hieß hier ferner, dass noch 1837 Frondienste geleistet werden mussten. (Das aber halte ich für fragwürdig,da
inzwischen in allen Preußischen Landen die Gewerbefreiheit eingeführt und eben solche Frondienste und die
Zwangsmüllerei abgeschafft waren. W.S.)
Nach dem 2. Weltkrieg wurde in der Mühle wieder gemahlen. Die Mühle war weitgehend unzerstört geblieben und konnte
bald wieder ihre eigentliche Mahlkapazität ausnutzen. Allerdings hielt das nur etwa bis 1950 an. Andere Betriebe
waren inzwischen instandgesetzt und wohl auch modernisiert während die Mühle Holleben technologisch hinterherhinkte.
Hinzu kam die Kollektivierung der Landwirtschaft, die Mühle Holleben hatte 1950 ausgedient und stellte den Betrieb
endgültig ein.
Bis 1990 wurden die Gebäude noch von der örtlichen LPG als Lagerflächen genutzt, in der Mühle hatte die
Konsumgenossenschaft einen Lebensmittelladen eingerichtet, aber damit war es nach 1990 ebenfalls vorbei. Es
folgten Stillstand, Verfall und lediglich die Erneuerung der Rechenanlage am Einlaufbauwerk zeigt, dass die
historische Mühle noch nicht vollends in Vergessenheit geraten war.
Die Gebäude wurden teils verkauft, einige kleinere Unternehmen haben sich hier inzwischen angesiedelt und zum Glück
hat die Mühle Holleben einen neuen Besitzer gefunden. Vielleicht gelingt es ihm, die historische Mühle vor dem Verfall
zu retten. Unterstützung in Holleben sollte dabei zu finden sein, denn bereits 1990 begannen Bürger des Ortes mit
ersten Sanierungsarbeiten. Ihnen ist zu danken, dass die Mühle inzwischen wieder Elektroenergie für den Ort liefert
und ein 80-jähriger pensionierter Kunsterzieher und Hobbymaler hat in Eigenleistung das historische Wappen über der
Tür so gut er es allein vermochte, instandgesetzt.
1991 nahm sich die Gemeinde ihres historischen Schatzes an. Dächer und Fenster jenes Teiles der Mühle, der längst
der Gemeinde gehörte wurden repariert, Balken erneuert, Mauerwerk ausgebessert und der allgemein Verfall so gestoppt.
Inzwischen hat sich der Mühlenbesitzer gemeldet, es besteht ein Kontakt und weitere Informationen werden sicherlich
folgen. W.S.
Bilder und geschichtliche Daten stellte der Besitzer der Mühle zur Verfügung, vielen Dank dafür und Glück zu! für
die Sanierung, Bewahrung und Wiederbelebung der Mühle als Kulturobjekt alles Gute.