Nienburg (Saale), ehem. Wassermühle
>Die Mühle ist nicht bei der DGM registriert
06429 Nienburg (Saale), Bodegasse 6b, Salzlandkreis
Koordinaten: 51.833914 11.768758
Eigentümer(in): k.A.
Das Objekt ist nicht als Kulturdenkmal ausgewiesen.
ehemalige Wassermühle
Nutzungsarten: Getreidemühle

Baujahr: vermutlich vor 1500, Betrieb bis ca. 1989
Zustand: ruinös
Derzeit ist unbekannt ob und in welcher Weise die ehemalige Industriemühle genutzt wird. Aktuellen Luftbildern zufolge sind einige Gebäudeteile dem Verfall preisgegeben.

Erwähnt wird die Mühle eigentlich sonst nicht, eigenartigerweise scheint sich niemand für dieses Objekt zu interessieren, es findet sich praktisch nichts über diese Mühle im WWW.
Ottomar Träger verfasste in den 60er Jahren des 20. Jhds. ein Buch über die "Wassermühlen im unteren Saaletal - Beiträge zur Mühlenchronik an der unteren Saale." Scheinbar handelte es sich um eine Auftragsarbeit, zumindest erhielt der Autor seitens des Betriebes umfangreiche Unterstützung. Das Buch wurde 1969 durch die "Vereinigten Mühlenwerke VEB Saalemühlen Bernburg" herausgegeben.

O. Träger schrieb zur Nienburger Mühle

(Zitat Anfang)

"In N i e n b u r g  steht seit alters her die Wassermühle am Südeingang der kleinen Stadt. Ihr Ursprung wird mit der Geschichte der Benediktinerabtei zu verbinden sein, die 975, fünf Jahre nach der Gründung in Thankmarsfelde im Harz, in das alte Grenzkastell Nienburg am Zusammenfluss von Saale und Bode verlegt wurde." ... "1004 gehörten dem Kloster auch mehrere Wassermühlen in der Niederlausitz, die ihm mit anderen Besitzungen von Kaiser Heinrich II. anlässlich der Einweihung der Abteikirche geschenkt wurden.

Über die Nienburger Mühle selbst vermitteln Nachrichten von der Säkularisation des Klosters 1563 ein unmittelbares Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse im ausgehenden Mittelalter. Der damalige Müllermeister saß seit 15 Jahren um den 3. Scheffel bzw. die 3. Metze auf der Klostermühle. Vom Malz, das die Brauer des Fleckens brachten, stand ihm die Hälfte zu. Das Bier wurde nicht ausgeführt, sondern in der Stadt getrunken. Das Metzmehl schüttete der Müller in einen Kasten, dessen Schlüssel früher der Bäcker, nun aber der Kornschreiber oder Amtshauptmann aufbewahrte.

Bei der Aufnahme des Amtsregisters am 24. Juni 1563 stellte der fürstliche Rentmeister fest, dass im Kloster bisher - 'kein register darüber gehalten, viel weniger angeschrieben' - wurde, was die Mühle jährlich rentete, so dass der Müller danach befragt werden musste. Von dem Tage bis zum 30. November 1563 trug die Mühle 21 Wispel Getreide. Das schien gegenüber früher mehr; das Amt drängte auf höhere Mahlleistungen und größere Genauigkeit.

Zu neuen Mühlsteinen mußte der Müller den dritten Taler und den dritten Teil der Unkosten tragen. Auch für alles gangbare Zeug, wie Radholz, Schaufeln, Kammräder, Mühleisen und alles Eisenzeug musste er den dritten Teil zahlen, ebenso für das Schärfen der Mühlsteine.

Vor 1563 hatte der Müller jährlich 20 Gänse, 30 junge Hühner, 15 Schock Eier, die Hälfte der Enten und des Fischfanges, dagegen alle Lachse, Lampreten und Neunaugen dem Kloster zu liefern.

12 Scheffel Malz kosteten 1563 21/2 Gulden, 16 Wispel Roggen 128 Gulden, 20 Mastschweine 100 Gulden, das Stück zu 5 Gulden, 20 Gänse 3 Gulden, 30 junge Hühner 20 Groschen, 15 Schock Eier 2 Gulden 18 Groschen, 30 Enten 2 Gulden."

(Zitat Ende)


  • 1644 entging die "kleine Mühle" von Nienburg nur knapp der Zerstörung durch Feuer. In den Jahren nach dem 30-jährigen Krieg war die Mühle fast völlig verkommen, es fehlte an allem.
  • 1659 lag die "kleine Mühle" wüst.
  • 1665 war die Mühle dann wieder aufgerichtet, verfügte über 2 Mahlgänge und eine Ölmühle mit 6 Stampfen,
  • 1685 war in der vorderen (der "großen Mühle") fast 50 Jahre nach dem Krieg ein 5. Mahlgang eingerichtet worden. Jeder der Mahlgänge wurde durch ein eigenes Rad angetrieben, es waren also Staberräder vorhanden.
  • 1700 Grund- und Mühlwerk der kleinen Mühle waren durch jahrzehntelange, kriegsbedingte Vernachlässigung derart vermorscht und schadhaft, dass in den Jahren 1704 und 1719 zahlreiche Reparaturen erfolgen mussten.
  • 1704 wurde das im Krieg zerstörte Wohnhaus der Mühle wieder hergestellt.
  • 1719 wurden neue Mühlsteine herangeschafft, sie stammten aus den Mühlsteinbrüchen bei Rothenburg (heute Wettin-Löbejün) und den Mühlsteinbrüchen am Kyffhäuser.
  • 1143 war die Mühle trotz der inzwischen erfolgten Reparaturen so baufällig geworden, dass man sich zu einem Neubau entschloss.
  • 1745 baute man zunächst eine Schneidemühle, die dann das Bauholz für den eigentlichen Mühlenneubau lieferte.
  • 1746 bis 1747 wurde die Mühle neu aufgebaut, erhielt statt der bisherigen Staberräder nun Pansterzeuge. Die zwei mächtigen Räder trieben dann insgesamt 4 Mahlgänge. Der 4. Gang konnte nach Fertigstellung der Mühle je nach Bedarf entweder die Öl- oder die Schneidemühle antreiben.
  • 1748 Der Neubau dieser Mühle hatte insgesamt 6794 Taler und 8 Pfennige gekostet.
  • 1753 war dann schließlich auch die große Mühle erneuert, allerdings erhielt sie keine Pansterräder sondern trieb wie schon zuvor mit ihren Staberrädern je einen Mahlgang.

In der Folgezeit stellte man sogar Versuche an um herauszufinden, ob die durch Pansterzeug angetriebenen Mahlgänge leistungsfähiger waren, als jene, die mit Staberrädern angetrieben wurden. Das ließ sich hier in Nienburg an der Saale recht gut ausführen, da die "kleine" und die "große" Mühle unter den gleichen Verhältnissen hinsichtlich des Wasserstandes, der Fließgeschwindigkeit usw. arbeiteten. Allerdings war die kleine Mühle schon mit den fortschrittlichen Pansterzeugen ausgestattet während die große Mühle noch mit den althergebrachten Staberrädern angetrieben wurde.
Es stellte sich dabei heraus, dass ein Mahlgang auf der Panstermühle einen Scheffel Roggen innerhalb einer Stunde und 10 Minuten zu Mehl verarbeitete, während ein mit einem Staberrad angetriebener Mahlgang hierfür zwei Stunden benötigte.

Auch die Nienburger Amtsmühle war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein eine Zwangsmühle was bedeutete, dass die Bevölkerung verpflichtet war, hier ihr Korn mahlen zu lassen. So sicherte man sich die Einnahmen und den Mahlzins. Dass die Mahlkunden dadurch oftmals weite Wege zurücklegen mussten und der Willkür der Mühlenherrschaft ausgeliefert war, hielt man für Recht und nicht selten bestrafte man diejenigen, die ihr Korn auf andere Mühlen brachten.
Vom 17. Jahrhundert bis weit in das 19. Jahrhundert hinein war die Amtsmühle in Nienburg an der Saale mit Zwangsrechten ausgestattet.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es kaum tiefgreifende technologische Entwicklungen in der deutschen Müllerei. Die Ursache dafür liegt im Wesentlichen darin, dass die Zwangsmühlen keine Konkurrenz befürchten mussten. Die Einnahmen waren gesichert, die Mahlkundschaft musste sich oftmals mit minderer Mehlqualität und geringer Ausbeute zufrieden geben und meistenteils war sogar der Gebrauch von Handmühlen verboten, so dass dem Bürger gar keine andere Möglichkeit blieb, als auf der ihm zugewiesenen Mühle mahlen zu lassen. Ausnahmen gestatte man lediglich dann, wenn die Zwangsmühle längere Zeit wegen anstehender Reparaturen, fehlender Antriebskraft usw. nicht mahlen konnte. Nur dann durfte die Mahlkundschaft mit einer schriftlich einzuholenden Erlaubnis in einer anderen Mühle ihr Korn vermahlen lassen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen Nachrichten aus Amerika von Mühlen, in denen kaum noch menschliche Arbeitskraft zur eigentlichen Vermahlung vonnöten war. Nach unserem heutigen Verständnis waren hier die ersten automatische Fabriken entstanden, in denen alle Arbeitsschritte so untereinander verknüpft und die innerbetrieblichen Transporte von Korn und Mahlgut mittels selbsttätiger Fördereinrichtungen ausgeführt wurden, dass tatsächlich einmal angeliefertes Korn gereinigt, gemahlen, das Mehl gesiebt und letztlich verpackt wurde, während sich die Arbeiter mit der Instandhaltung und Beaufsichtigung der Mühlenwerke befassten. Nur sehr zögerlich entwickelte sich die Müllerei weg von der althergebrachten Art zu mahlen. Zum einen erforderten solche modernen Mühlenwerke erhebliche finanzielle Mittel zum andern misstraute man solchen Werken hinsichtlich der Zuverlässigkeit, so dass es Jahrzehnte dauerte, bis auch in Deutschland Mühlen nach amerikanischem Vorbild entstanden. Dazu lieferte schließlich die Gewerbefreiheit (z. B. ab 1810 in Preußen eingeführt) wichtige Impulse. Ehemalige Zwangsrechte wurden abgelöst, teilweise erhielten Müller sogar finanzielle Entschädigungen vom Fiskus weil die alten Pachtverträge die gesicherten Einnahmen berücksichtigt hatten, so dass es noch Jahrzehnte dauerte, bis sich eine moderne Mühlenindustrie entwickeln konnte. Dass damit schon ein Mühlensterben einsetzte kann kaum verwundern. Nur dort, wo sich aufgrund der Bevölkerungsdichte, der Infrastruktur, der ausgeübten Landwirtschaft usw. noch genug Mahlkundschaft fand, konnten Handwerksmühlen überleben.
Zahlreiche Mühlen wurden neu gebaut, wer genug Geld besaß oder auftreiben konnte "machte sich selbständig", Mühlen schossen sozusagen wie Pilze aus dem Boden, doch zahlreiche Müller konnten von diesem Geschäft allein nicht mehr leben. Viele Müller betrieben nebenbei selbst noch Landwirtschaft, andere wandten sich dem Gastgewerbe zu und wer genug Geld dazu hatte kaufte auch schon mal einem Konkurrenten die Mühle ab und legte sie still.

Ende des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden die ersten Industriemühlen. Inzwischen waren nicht mehr nur die handwerklichen Qualitäten des Müllers gefragt, mehr und mehr gewannen betriebswirtschaftliche Aspekte an Bedeutung und nur wer imstande war, sich seiner Konkurrenz zu erwehren überlebte.
Zunächst brachten beide Weltkriege in gewisser Weise Erleichterung hinsichtlich der wirtschaftlichen Selbständigkeit für so manchen Handwerksmüller. Staatlicherseits vergebene Vermahlungskontingente sicherten vorübergehend Einnahmen auch für kleine Handwerksmühlen, doch immer häufiger wurden Müller und Mühlenarbeiter für den Kriegsdienst eingezogen. Meist waren es dann die Ehefrauen und leider allzu oft die "Kriegerwitwen", die dann die Mühlen fortführten.

Bis 1989 gehörte die Mühle als Betriebsteil Nienburg zum Unternehmen "VEB Vereinigte Mühlenwerke Saalemühlen Bernburg". Mit der Zerschlagung der DDR Kombinatsbetriebe endet auch die Geschichte der Getreidemühlen in Nienburg.

Und wenn uns die CORONA- Pandemie wieder Bewegungsfreiheit lässt, werden vor Ort Recherchen erfolgen und die Seite wird überarbeitet bzw. ergänzt.



aktualisiert Montag d. 13.06.2022