Deissners Dampfmühle Frohse
Die Mühle ist nicht bei der DGM registriert
39218 Schönebeck (Elbe), OT Frohse, Friedhofsweg 9, Salzlandkreis
Koordinaten: 52.030420, 11.720164
Eigentümer(in): k.A.
Das Objekt ist nicht als Denkmal ausgewiesen.
ehemalige Dampfmühle
Nutzungsarten: Getreidemühle
Baujahr: möglicherweise schon 1858 eine Vorgängerin errichtet, um 1901 neu aufgebaut, Betrieb bis: Mitte der 1960er Jahre, danach wurde das Objekt anderweitig genutzt.
Zustand: schadhaft/ruinös
Bei der Dampfmühle Frohse handelt es sich um mehrere Gebäude, die wohl größtenteils noch stehen. Ursprünglich gab es neben der eigentlichen Mühle ein Wohnhaus (später durch eine Villa auf der gegenüberliegenden Straßenseite ersetzt, in den letzten Jahren saniert) Stallungen, Remise, Lagerräume, u.a.
Im Bestand des
Technikmuseum Berlin findet sich eine 'Dispositionsskizze' zum Neubau der Dampfmühle, was sich mit der Angabe deckt, die Mühle sei um die Jahrhundertwende abgebrannt.
Die Seite
Albert-Gieseler / Kraft- und Dampfmaschinen zeigt an, dass die Braunschweigische Mühlenbau-Anstalt, Amme, Giesecke & Konegen AG im Jahr 1901 entweder die gesamte Mühle erneuert, oder zumindest eine Dampfmaschine für deren Betrieb geliefert hat.
Wenn die Mühle so ausgeführt wurde, wie in der Dispositionsskizze angegeben verfügte sie danach über 5 Stockwerke in denen die Annahme, Getreidereinigung, Silos, Vermahlung, Sichtmaschinen, und Lagerflächen für Fertigprodukte untergebracht waren.
Die 'Frohser Dampfmühle' soll ürsrünglich eine Vermahlungskapazität von 24.000kg Roggen und Weizen täglich gehabt haben.
Bis 1946 war die Dampfmühle Frohse in Privatbesitz des Herrn Deissner, sie wurde dann verstaatlicht und schließlich als Betriebsteil des VEB Magdeburger Mühlenwerke bis etwa 1965 weitergeführt. (Zu den Magdeburger Mühlenwerken gehörten ebenfalls die Mühlen Hadmersleben, Gardelegen und Stendal.)
In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde auch in der DDR die Mühlenlandschaft durch staatliche Eingriffe erheblich verändert. Mehr und mehr übernahmen Großbetriebe Aufgaben traditioneller Handwerksbetriebe was ganz besonders in der Lebensmittelbranche augenfällig wurde. Kleine Handwerksbetriebe schlossen sich zu Produktionsgenossenschaften des Handwerks zusammen oder wurden aufgegeben, die 'Bäckerei um die Ecke' und 'der Fleischer nebenan' verschwanden, ihre Aufgaben übernahm der sozialistische Einzelhandel, und damit veränderte sich auch der Bedarf insgesamt. Brot wurde weniger gegessen als in den Jahren zuvor und statt Mehl mussten nun Futtermittel für die industrielle Mast von Rindern, Schweinen und Hühnern bereitgestellt werden. Dazu wurde die Produktion in Großbetrieben zusammengefasst.
Meist wurden dann solche Einrichtungen wie die sogenannten 'Heeresspeicher' oder auch private Speicher und Silobauten um- und ausgebaut, stillgelegte Zuckerfabriken trockneten nun Futtermittel oder pressten Pellets fürs liebe Vieh aber das traditionelle Handwerk geriet dabei ins Hintertreffen.
Das KONSUM-Brötchen trat seinen 'Siegeszug' an, weil es immer weniger Handwerksbäckereien gab, staatlich regulierte (und gestütze) Preise für Grundnahrungsmittel (ein Frühstücksbrötchen für 5 oder 7 Pfennig, ein 'Dreipfundmischbrot' für knapp eine Mark) machten vielen Handwerksbäckern und -mühlen den Garaus, weil damit weder Werterhaltungsmaßnahmen noch eine Weiterentwicklung im Handwerk möglich waren. Das zeigte sich auch, als um 1990 die früheren DDR-Betriebe mehr und mehr ins Blickfeld rückten. Sie wurden in den Jahzehnten zuvor fast alle nur auf Verschleiß gefahren und befanden sich demzufolge vielfach in einem recht erbärmlichen Zustand.
Die zur Dampfmühle Frohse gehörende Siloanlage aus stählernen Rundzellen mit Annahmetechnik wurde nach der Stilllegung der Mühle als Objekt 'Mühlensilo Schönebeck' für den VEB Getreidewirtschaft Calbe weitergnutzt.
Die eigentliche Dampfmühle wurde 'entkernt' und danach zu einem Lager für eine der Großhandelsgesellschaften der DDR (GHG) umfunktioniert. Wahrscheinlich Waren des täglichen Bedarfs, Haushaltwaren usw. wurden hier gelagert und verteilt. 1990 gehörte dieser Betrieb zur Treuhandmasse und wurde den Erben des Alteigentümers übertragen.
Auf dem Youtube©-Kanal des Users 'preludebb' findet sich ein etwa 5minütiges Video, aufgenommen im Jahr 2014, zuletzt abgerufen am 03.01.2021.
Varlassene Orte - Urban exploration by preludebb
Ausgangspunkt für die Recherchen zu dieser Mühle war eine alte Ansichtskarte, bis dahin wusste ich nicht mal von ihrer Existenz. In erstaunlich kurzer Zeit fanden sich dann weitere Hinweise, ich bekam die Zuschrift eines Mühlenfreundes, der beruflich mit den Mühlen im Bezirk Magdeburg befasst war und es fanden sich diverse Bilder:
Als nächstes fand sich dann im Adressbuch der Getreide-, Dünger- und Futtermittelhändler, Mühlen und Malzfabriken des Deutschen Reiches, Ausgabe 1926 folgender Eintrag:
und zu guter letzt auch noch die erwähnte 'Dispositions-Skizze von WETZIG Mühlenbau
Hier noch ein paar Fotos, die mir freundlicherweise zur Nutzung überlassen wurden:
Die Webseite des Bildautors 'patifakte'
Hier noch ein paar 'Impressionen' aus der Zeit (vermutlich) der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts...
Walzenstühle der Mühle Deissner
Der Obermüller im Gespräch mit zwei Mitabeiterinnen
Arbeiten an der Antriebsmaschine
Teil der Antriebsmaschine
Die Aufnahmen stammen aus dem Bildarchiv des Müllermeisters Heinz Hillmer (Hödingen)
Arbeitskreis Mühlen Sachsen-Anhalt e.V. / dies&das"