Die Mühle ist nicht bei der DGM registriert
38822 Aspenstedt OT von Halberstadt, Vor dem Tore 85 (auch Mühlengasse 85), Landkreis Harz
Koordinaten: 51.934114, 10.950576
Eigentümer(in): privat
Das Objekt ist nicht als Denkmal ausgewiesen.
Ehemalige Wassermühle, oberschlächtiges Wasserrad, Rad ca. Ø 5,5m (Reste davon sind erhalten geblieben)
Wasserlauf: Assebach
Nutzungsarten: Getreidemühle
Baujahr: wahrscheinlich schon vor 1750, Betrieb bis: wahrscheinlich Mitte des 20. Jhds.
Zustand: Innerhalb der letzten 20 Jahre wurde das Grundstück mit Wohnhaus, Mühle, Scheune und Nebengebäuden umfassend saniert. Das Wasserrad soll in den nächsten Jahren neu aufgebaut werden, um das historische Mühlenensemble zu komplettieren.
Mühlentechnik: Ein Rest der Wasserradwelle steht aufrecht neben dem Mühleneingang, dazu ein gusseiserner Stern, der auf der Wasserradwelle befestigt war und die Speichen des Rades (Kropfrad mit ca. 5,5m Ø) aufnahm. Dazu finden sich u. a. ein paar Katzensteine, die obligatorischen Mahlsteine in verschiedenen Größen, die wesentlichen Teile des Wasserlaufes und der sanierte Wasserradschacht.
Im Innern des ehemaligen Mühlenraumes findet sich eine "Mühlenstuhlung", wie ich sie bisher nur von sehr alten, zeitgenössischen Mühlenkonstruktionen her kannte. So zum Beispiel aus dem "THEATRUM MACHINARUM NOVUM - Schauplatz der Mechanischen Künsten von Mühl- und Wasserwerck - Durch Georg Andream Böcklern - Architect & Ingenieur - In Verlegung - Paulus Fürsten, Kunsthändlers in Nürnberg 1661". [1]
Ein entsprechendes Mühlwerk ist auf der Tafel 26 dieses Buches dargestellt (Bild 14) zeigt deutliche Übereinstimmungen zur Bauweise der gesamten Inneneinrichtung, was mich vermuten ließ, dass diese Mühle älter sein müsse als in der Festschrift zum 75. Geburtstag des Karl Fricke [2] angegeben (auszugsweise wiedergegeben auf der Seite der Untermühle Aspenstedt). Dort ist zu lesen, dass die Mühle auf dem Grundstück Aspenstedt Nr. 85 im jahr 1830 errichtet worden sei.
Recherchen haben aber recht bald zutage gefördert, dass im "GENERAL-PRIVILEGIUM und Gülde-Brief für die combinirte Müller-Innung im Fürstenthum Halberstadt. De Dato Berlin, den 5ten März 1782" im dazugehörenden "Namentliches Verzeichniß der zu jeder der drey Innungen im Fürstenthum Halberstadt gehörigen Mühlen." unter den Nummern 75 die Gemeinde-Mühle und 76 die Broersche Mühle aufgeführt sind. [3]
Damit ist sozusagen von "allerhöchster Hand" verbrieft, das Aspenstedt schon vor dem Erscheinen dieses Gildebriefes zwei Wassermühlen aufzuweisen hatte. Und da sich nun an der Scheune des Mühlengrundstücks Nr. 85 ein Schriftzug findet, der besagt, dass die Eheleute Broer die Scheune im Jahr 1848 gebaut hatten, dürfte klar sein, dass die Müllerfamilie Broer (oder Bröer) wohl mehr als 100 Jahre diese Mühle innehatte.
Interessant ist diesbezüglich auch, dass bereits auf der "Carte de la Principaute de Halberstadt" [4] von 1750 für das Dorf Aspenstedt zwei Wassermühlen eingezeichnet sind.
Warum die Mühle schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Gewerbebetrieb aufgab kann man nur vermuten. Wahrscheinlich, weil es aufgrund der benachbarten Bebauung keine Möglichkeit gab, die Mühle zu vergrößern, auch weil es dem Assebach an der nötigen Wasserkraft mangelte, und nicht zuletzt, weil die Mühlenindustrie ohnehin für den Niedergang handwerklicher Kleinmühlen sorgte. Folgerichtig wird der Mühlenstandort dann auf der Karte "Beilage zu Spohr Heimatsagen, Verlag von H. Schwanecke Quedlinburg 1902" [5] als "eingegangene Mühle" dargestellt. Zu dieser Zeit soll die Mühle schon dem benachbarten Gutsbesitzer Behrens gehört haben, der sie möglicherweise nur noch für den Eigenbedarf des Gutsbetriebes nutzte. Das lässt sich daraus ableiten, dass Aspenstedt erst im Jahr 1908 mit elektrischem Strom versorgt wurde. Alte Bilder der Mühle zeigen aber, dass offenbar rechts vom Mühleneingang ein Elektromotor gestanden hat, der über einen Flachriemen das Mühlwerk antrieb. Das hätte man sicher nicht eingerichtet, wenn die Mühle zu dieser Zeit vollends ihren Betrieb eingestellt hatte.
Wie dem auch sei, die Mühle war dann in eine Art
Dornröschenschlaf versunken. Sie wurde zwar noch bewohnt, aber sie erfuhr nicht die Wertschätzung, die ein solches Kleinod wohl verdient hätte. Vom Zahn der Zeit zerfressen und wegen der Missachtung durch die Bewohner war die Mühle um das jahr 2000 in einem wirklich erbärmlichen Zustand. Der Wasserradschacht war mit Unrat verfüllt, der Mühlenraum mit Gerümpel der letzten Jahrzehnte vollgestopft, Dächer, Balken, Fenster und Türen verfault und zerfallen, bot sie einen elenden Anblick.
Die Mühle verfügte lange Zeit über eine Vorrichtung, mit deren Hilfe die Wasserfässer der örtlichen Feuerwehr befüllt werden konnten. Dazu war ein 10 cm starkes Rohr so angebracht, dass im Brandfall der Mühle das Wasser abgestellt wurde, ein Schieber, der noch heute vorhanden ist, konnte geöffnet werden und leitete das Wasser des Baches an der Mühle vorbei bis zur Gasse. Das war seit 1840 die einzige, brauchbare Löschwasserentnahmestelle für den Ort. Allerdings verlor diese Vorrichtung an Bedeutung, als Aspenstedt an eine zentrale Trinkwasserversorgung angeschlossen wurde. Damit hatte die Mühle ihren Wert als solche für Aspenstedt vollends verloren und geriet schließlich in Vergessenheit.
Kaum mehr erinnerte man sich an die alte Mühle, es hieß immer, dass es wohl im Ort noch einen Hof gäbe, auf dem ein Wasserrad vorhanden sei. Ich nahm an, dass es eine Anlage zur Eigenversorgung eines Landwirts mit Futterschrot für sein Vieh gewesen wäre, um so überraschter war ich, als mir der jetzige Besitzer Herr E. eine historische Mühle präsentierte, die Erstaunliches vorzuweisen hat. Nicht nur die Tatsache, dass die Familie E. mit vereinter Kraft eine Ruine buchstäblich aus dem Dreck zog, ihr Skelett stützte, reparierte, Dächer, Fenster, Türen und Wände erneuerte, Technikreste barg, säuberte und reparierte, so weit es möglich war, und die Mühle wieder begehbar und als Schauraum nutzbar machte.
Nur wer selbst in einem so alten Gemäuer gearbeitet hat weiß, wieviel Geschick, Zeit, Geld und Erfindungsreichtum nötig sind, um eine solche Anlage herzurichten, von der Zahl der Arbeitsstunden ganz zu schweigen. 17 Jahre, so erzählte mir Herr E. habe er mit Unterstützung der Famile gebraucht, um das Wunder zu vollbringen. Und wenn es nicht so albern klänge würde ich behaupten, dass E.s die vergessene Mühle "wachgeküsst" haben.
Danke dafür, Glück zu! und sobald Corona es zulässt werde ich mich noch mal anmelden, um weitere Fotos zu machen und Herrn und Frau E. zu ihrer "Müllerischen Leistung" zu gratulieren.
Literatur:
[1] THATRUM MACHINARUM NOVUM... - Privatbesitz
[2] Festschrift zum 75. Geburtstag der Karl Fricke (auszugsweise durch Herrn E. überlassen)
[3] GENERAL-PRIVILEGIUM und Gülde-Brief... (https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/ ...)
[4] Carte de la Principaute de Halberstadt 1750
[5] Digitale Kopie einer Karte, zur Verfügung gestellt durch Thomas K., Klein Quenstedt